Potztausend Herrschaften,
dieser Tage ging mein bevorzugtes Paar Stiefel den Weg allen zeitlichen und ließ mich schon nach nur acht lächerlichen Jahren schmählich im Stich. Verflixt und zugenäht, das Schuhmacherhandwerk ist auch nicht mehr das, was es früher einmal war. Zu Kaisers Zeiten wären solch Billigmanufakturen auf schnellstem Wege wieder entfernt worden, doch unter dem Regime des Sozenpacks heutiger Tage muß man letztendlich solche Schlampereien demütig hinnehmen, sapperlot.
So sah ich mich denn gezwungen, meinem Stammschuhmacher, dem Herrn Hartmut Freierlicher, einen Besuch abzustatten. Zu meinem Entsetzen befand sich an der gewohnten Stelle des Schuhmachergeschäftes Freierlicher einer dieser neumodischen Händieläden mit blinkender Warenauslage, die nach längerem Hinsehen Hirntumore erzeugen soll. Erst kürzlich erfuhr ich von einem Herren fortgeschrittenen Alters, der neben solch einem Blitzgewitterladen lebte und an ausufernder Vergesslichkeit litt. Da kann man wieder sehen, welch schädlichen Müll diese Händiebetreiber in unsere Zivilisation laden. Ja, und nun, wie auch immer, der Schuhladen war nicht an gewohnter Stelle, was mir zunächst einen Stich versetzte und mich unschlüssig werden ließ. Doch ließ ich mich von dem Geblitze nicht lange beeindrucken und schüttelte beherzt den Geschäftsleiter, einen unrasierten Jüngling von bestimmt nicht einmal dreißig Jahren in Rollkragenpullover, um zu erfahren, was er mit dem armen Herrn Feierlicher angestellt habe, um seinen mit Elektronik-Kontaminat angereicherten Ramschladen hier eröffnen zu können.
Zu meinem Bedauern erfuhr ich, daß der Herr Feierlicher vor etwa acht Jahren im rüstigen Alter von gerade einmal 94 seinen Laden schloß, um sich in den Ruhestand zu begeben. Und was wird nun aus mir?! Potzdonner! Nachdem ich dem jungen Hallodri mal ordentlich die Meinung gestoßen hatte, machte ich mich auf die Suche nach einer intakten Telefonzelle, um im Branchenfernsprechbuch die Nummer eines anderen Schuhmachers ausfindig zu machen. Es war schon fast keine Überraschung mehr, daß ich einer solchigen nicht angesichtig wurde. Überhaupt, fiel mir auf, daß die neumodischen Telefonzellen gar keine Zellen mehr besitzen und nur noch aus einem häßlichem Stumpf bestehen, der, wenn man Glück hat, einen Telefonhörer und ein so genanntes Wählfeld hat. Würden nicht alle gleich unfertig aussehen, käme ich zur Annahme, daß die Zellen von jugendlichen Kriminellen aus Langeweile entwendet wurden.
Auf der Suche nach eben solcher Zelle kam ich schließlich an einem dieser modernen Schuhverkaufsladen, Weichmann hieß er, glaube ich, vorbei und begab mich kurz entschlossen dort hin, hatte ich schließlich und letztendlich fast nichts mehr zu verlieren. Nachdem ich dort geschlagene fünf Minuten im Eingangsbereich stand, ohne, dass sich jemand um mich gekümmert hätte, rief ich ärgerlich nach einer Bedienung. Doch erst, als ich mit dem Stock eine Auslage umstieß, kam eine frech blickende Göre daher und fragte mich schnippisch, was das den solle. Da ich nach dem bisher erlebten nur noch ein paar Stiefel erwerben wollte, überging ich das respektlose Gemeckere dieses Luders und erkundigte mich nach einem erstklassigen Paar Knobelbecher mit Eisenbeschlagener Sohle.
Herrschaften, lassen Sie es sich gesagt sein, daß ich selten eines dümmlicheren Gesichtsausdrucks gewahr wurde. Und dann meinte das Gör doch tatsächlich, ich solle besser in einen Spielwarenhandel mein Glück versuchen und wollte schon wieder abrauschen, Potzblitz. Das Umstoßen einer weiteren Auslage ließ sie jedoch zügigst von diesem Vorhaben wieder ablassen und ich unterstrich abermals die Forderung nach den Knobelbechern, indem ich begann eine dritte Auslage anzustoßen. Nun zeigte das freche Ding erstmals einen Anflug von Dienstbereitschaft und sagte, sie wolle mal nachsehen, was sie tun könne. Und tatsächlich tauchte sie nach nur einer Minute wieder mit einem Würfelbecher in der Hand auf und wollte ihn mir freudestrahlend überreichen. Zum Donnerwetter aber auch, zürnend verließ ich diesen abschreckend unfreundlichen Laden und ließ klirrend die Türe hinter mir zufahren. Dies war für einen Tag mehr als genug, so fuhr ich unverrichteter Dinge ohne Marschstiefel im Gepäck mit dem öffentlichen Bus wieder in Richtung Zuhause. Zumindest war dort ein kleiner Lümmel mit einem laut plärrenden Eipott in den Ohren, an dem ich mein Gemüt etwas abkühlen konnte, was mich schließlich wieder etwas milder stimmte.
Herrschaften, noch immer etwas außer mir, frage ich mich, ob eventuell von Ihnen wer noch die Adresse eines vortrefflichen Schuhmachers kennt, die er mir zukommen lassen könnte. Ich würde mich natürlich erkenntlich zeigen. Bis dahin werde ich wohl oder übel mein bis dato unbenütztes Paar Ersatzstiefel nutzen müssen, die mir wohlweislich bisher in der Hinterhand hielt. Man weiß ja schließlich nie, wann man sie einmal brauchen könnte.
In diesem Sinne mit redlichem Gruße
Ihr
Albus Gassmann